Rock ‘n’ Roll Rapture
Einige werden es mitbekommen haben: Seit letzten Samstag geht die Welt unter. Allerdings nicht spektakelnd im Sinne Emmerichs, sondern schleichend und biblisch. Zur Auffrischung des biblischen Aspektes kann der geneigte Leser sich hier noch einmal informieren. Was aber den schleichenden Aspekt angeht: Harold Camping, der Prediger aus California, hat vor den Untergang die Rapture behauptet, die Entrückung der Rechtschaffenen, der dann unweigerlich die Apokalypse folgen soll. Vielleicht sind ja Zombies deshalb so en vogue. Bei so einer richtig zünftigen Apokalypse müssen natürlich auch die Toten aus ihren Gräbern schlüpfen.
In diesem Ensemble der lebenden Toten und Entrückten nimmt es jedenfalls kaum wunder, dass Dick Brave plötzlich wieder auf der Bühne steht. Der war ja, so schlagzeilten die Gazetten vor einigen Jahren, in alter Rock ‘n’ Roll-Tradition mit einem Flugzeug abgestürzt und für verschollen und tot befunden worden.
Schön, dass man sich in dieser Hinsicht geirrt hat: Letzten Montag startete im Kölner Gloria-Theater seine Konvaleszenz, mit der Dick Brave die posttraumatischen Amnesie infolge einer Nahtoderfahrung verarbeiten will. So zumindest die Erklärung des Enthüllungsjournalisten und Doppelnamenvirtuosen Klaas Heufer-Umlauf, der der exaltierten Menge vor dem Konzert ausgiebig erläuterte, wie er Brave aus der Verschellung geholt hat: Aus einem Dorf in den kanadischen Bergen, wo jener als verwirrter Mr. Nowbody gesund gepflegt wurde.
Bei dieser Gelegneheit erfuhr man übrigens auch den bürgerlichen Namen des Künstlers: Richard Leoncourt. Über diese Steilvorlage für Assoziationen habe ich mich gefreut wie der Löwe im Winter – because brave Richard the Lionheart was King. Aber auch abseits der Elvis-Analogie kann man noch weitere royale Bezüge herstellen, vor allem, weil bei der Camping-Apokalypse die Entrückung ja immer eine so große Rolle spielt.
Entrückende Faktenlage
Das Motiv der Bergentrückung, mit der Richard Leoncourts Abwesenheit erklärt wurde, findet man nämlich auch bei anderen großen Königen: Barbarossa schläft im Kyffhäuser, Karl der Große im Untersberg oder Bran, der Rabenkönig, im weißen Hügel von London. Es gibt eine lange Liste von Heroen und Königen, die in irgendeinem Montanrefugium auf interessante Zeiten warten. Ein Klassiker in dieser Hinsicht ist natürlich Artus, der auf der Insel Avalon (ein Berg im Wasser) als Once and Future King über England Wache hält.
Bis heute ist dieses Motiv der Bergentrückung in der fiktionalen Literatur präsent. Bram Stokers Dracula basiert beispielsweise auf der ursprünglich Legende um König Vlad III., der in den Karpaten in wachem Schlaf auf die nächste Türkenbedrohung warten soll. Im Fantasybereich greift J.R.R. Tolkien die Bergentrückung prominent auf, in dem er einen König mitsamt seiner Armee in den Dwimorberg entrückt; von dort erlebt er dann zur Zeitenwende eine kriegsentscheidende Auferstehung. Und eine moderne, weit weniger mythische Variante dieser Geschichte ist Captain America. Auch ihn ließ man nach einem großen Krieg einige Zeit im Eis verschlafen, damit er sein Land in einem späteren (kalten) Krieg beschützen konnte. Macht die Figur allerdings auch nicht spannender.
Die Idee jedenfalls ist immer gleich: Ein alter Held stirbt nicht ganz, sondern steht irgendwann wieder auf, um in Zeiten des Untergangs seine Getreuen sicher in die gesegnete Zukunft zu führen. Das gilt auch und besonders für die biblischen Apokalypse: Das Wort Armageddon wird nämlich gemeinhin von Har Megiddo abgeleitet, dem Berg Megiddo. Von dort soll der zum König gesalbte Messias auferstehen, um die Heerscharen des Satans endgültig niederzuwerfen.
Keine Ahnung, ob sich Sascha Schmitz das alle dabei gedacht hat. Wahrscheinlich nicht. Macht aber nichts: Seine Musik ist trotzdem ein Triumph.
Genau wie dieser Song von Kate Bush. Da hat sie Elvis und die Bergentrückung wundervoll verarbeitet:
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