Herr Waltz und seine Bösewichte
Christoph Waltz hat dem Spiegel ein Interview gegeben und über die Ambivalenz seiner Bösewichter geredet. Dabei geht es aber auch um die Vielschichtigkeit von Helden und die aufkommende Langeweile, wenn dem nicht so ist. Sein Statement:
Eigentlich ist es ja erst die Bewältigung einer persönlichen Krise, die jemanden zum Helden macht. Innerhalb des marktwirtschaftlichen Systems werden einem Helden aber keine eigenen Krisen mehr zugestanden. Heute muss er die Krisen der anderen bewältigen. Da kommt ein Bösewicht mit einer Atombombe in der Tasche daher und gefährdet zweieinhalb Kontinente. Der Held wendet dann die Gefahr ab, ohne eine persönliche Schwierigkeit durchlebt haben zu müssen – das ist fürchterlich langweilig.
Es geht also vor allem also um die innere Krise, die den Protagonisten auch zu einem emotional wertvollen Helden macht. Eins der größten Probleme von Superman ist ja beispielsweise, dass er in dieser Hinsicht völlig sparsam ausgestattet ist. Klar muss er ab und an Lois Lane retten, aber die wirklichen inneren Konflikte entstehen dabei nicht. Die Serie Lois & Clark hat ja versucht, dieses Defizit aufzuarbeiten, verlor sich aber auch in dem Problem, dass Superman eben einfach Superman ist. Auf der anderen Seite ist ein Superheld wie Spiderman vermutlich deshalb so beliebt, weil er eben dauerhaft versucht, Karriere und Privatleben unter eine Maske zu bekommen. Spiderman: Ein moderner Karrieremensch? Darüber ließe sich sicherlich auch an anderer Stelle mal nachdenken.
Der Interviewer wirft schließlich ganz richtig die Frage auf, ob das TV mittlerweile das bessere Medium für komplexe Heldenfiguren ist (wie etwa Don Draper aus Mad Men), da es hier einfach mehr Entwicklungsspielraum gibt und Figuren langfristiger und vielschichtiger entwickelt werden können.
Im weiteren Verlauf des Interviews macht Waltz sich aber vor allem Gedanken zur Ambivalenz des Bösewichts. Da geht es um die innere Motivation des Gegenspielers:
Ich schaue erst einmal, was die Figur macht – wo sie sich von anderen unterscheidet und weshalb ihr Verhalten vielleicht als böse angesehen werden kann. [...] Nein, die Frage, ob eine Figur gut oder böse ist, halte ich für mich als Schauspieler für hinderlich.
Das ist sicherlich auch der Grund, weshalb Waltz’ Charaktere im Moment die eigentlichen Protagonisten regelmäßig an die Wand spielen. Der Bösewicht als Held seiner eigenen Geschichte, sozusagen ein gefallener Held, der die moralische Maßstäbe seinem eigenen Vorteil anpasst. Der aber deshalb in der entscheidenden Krise natürlich scheitert, weil er der Hybris anheim gefallen ist. So wird die Geschichte des Helden zu einer Tragödie des Bösewichts. Es wäre tatsächlich mal spannend, diese Idee umzusetzen. Der Film Megamind versucht das ja, allerdings ist das eher eine Satire mit dem Topos der verkehrten Welt. Jedenfalls wäre es sicher interessant zu sehen, wie man einen typischen (Super-)Bösewicht als tatsächlich tragischen Helden inszeniert, um ihn dann im entscheidenden Moment der Katastrophe scheitern zu lassen.
Das komplette Interview sollte man hier lesen.
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Der Samaritan ist natürlich ein großartiger Charakter, gar keine Frage. Überhaupt finde ich Busieks Varianten der bekannten Superhelden oft um einiges interessanter. Schade, dass er die Geschichte um den Silver Agent nicht aufgeklärt hat. Oder war das beabsichtigt? Jedenfalls danke für den Lesetipp!
Korrigiere: Nicht “sondern von der Tragödie zurück erzählt”, sondern “vom tragischen Fall aus rückwärts”. Sollte nicht antworten, arbeiten und gleichzeitig limitierte Ausgaben von Lego Minifigs diskutieren.
Lesefutter:
Mark Waid: Irredeemable & Incorruptible als Beispiel für den Rollentausch, allerdings nicht im klassischen Dramen-Format, sondern von der Tragödie zurück erzählt.
Und natürlich Kurz Busieks Samaritan als Beispiel, wie man Superman menschlich macht: Nicht mit Schwächen, sondern mit unerfüllten Wünschen. Dazu braucht er genau anderthalb Doppelseiten in Astro City #1